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Telenovelas der "fiktionalen Realität"

Seit den Anfängen der Telenovela in Lateinamerika wurde die soziale Realität des Kontinents in ihren melodramatischen Drehbüchern dargestellt. Es gibt Telenovelas, die dies deutlicher machen als andere. Für solche verwenden wir den Arbeitsbegriff Telenovelas der „fiktionalen Realität“. Als Telenovelas der „fiktionalen Realität” verstehen wir Telenovelas, die gesellschaftliche Phänomene beleuchten, die auf kein konkretes historisches Ereignis zurückzuführen sind, aber dennoch Teil der lateinamerikanischen Geschichte und Gegenwart sind. Dazu zählen zum Beispiel Migration, Femizid oder Korruption. Dies sind Erscheinungen, die seit jeher Teil der lateinamerikanischen Geschichte sind und nicht an Aktualität verlieren. Die Migration von Lateinamerikaner:innen in die USA, die Ankunftsschwierigkeiten in den USA, Korruption, die Angst vor Gewalt und Armut und die Repressionen gegen Frauen sind ein andauerndes Problem des Kontinents und tragen daher sicherlich einen wichtigen Teil zur lateinamerikanischen Identitätsbildung bei. Ebenfalls sind es Themen, die lange keinen Einfluss auf gesellschaftliche Debatten nehmen konnten, da sie verschwiegen oder nicht benannt wurden, wie beispielsweise die Gewalt gegen Frau, die erst durch feministische Proteste und Bewegungen wie #niunamenos Teil von politischen und gesellschaftlichen Diskussionen wurde. Obwohl diese Phänomene in der nationalen Geschichtsschreibung kaum mit konkreten historischen Fakten in Verbindung gebracht werden, ist die Auseinandersetzung mit diesen Themen in Telenovelas, selbst in einer fiktiven Darstellung, für unser Projekt wichtig. Wir gehen davon aus, dass Geschichten über Femizid, Migration oder Korruption in Telenovelas auch eigene Erinnerungsbilder bei den Zuschauer:innen hervorrufen können und daher in unsere Forschung einfließen werden. Ebenfalls können Telenovelas oder Serien, die diese Thematiken aufgreifen, aktuelle Diskussionen anstoßen.

Beispiele für Telenovelas der fiktionalen Realität:

- Zum Thema der Migration: La doble vida de Estela Carrillo (Mexiko, 2017), Eva Luna (USA, 2010), Allá te espero (Kolumbien, 2013) , Nino, o Italianinho (Brasilien, 1970)

- Zum Thema der Korruption: Por estas calles (Venezuela, 1992), La venganza de Analía (Kolumbien, 2020)

- Zum Femizid: La Doña (USA, 2016), Alguien te mira (USA, 2010)

Lies mehr zu Telenovelas der fiktionalen Realität:

- Pastel, Renée (2019): Hashtag Television: On-Screen Branding, Second-Screen Viewing, and Emerging Modes of Television Audience Interaction. In: Keith Feldman und Abigail de Kosnik (Hg.): #identity: Hashtagging Race, Gender, Sexuality, and Nation. Ann Arbor: University of Michigan Press, S. 165–180.